Risiko Medical Device Regulation MDR | Überblick der neuen EU-Medizinprodukte-Verordnung

Aktuelle Entwicklungen zur Medical Device Regulation (MDR)
Die neue Medizinprodukteverordnung bzw. Medical Device Regualtion (MDR) stellt für viele Unternehmen ein Risiko dar.
Denn, jeder Hersteller von Medizinprodukten von Klasse I bis III ist von der neuen Richtlinie betroffen. Auch Unternehmen, die bis jetzt Produkte und Dienstleistungen wie Software, im medizinischen Bereich angeboten haben, sind davon jetzt zum Teil erfasst. Hierbei ist besonders die Notwendigkeit für ein Handeln, der Unternehmen in der Klasse 1, die entsprechende Compliance zu gewährleisten, enorm.
Zusätzlich läuft die Übergangsfrist für die Anwendung der Medical Device Regulation bereits im Mai 2020 aus.
Produkte der Klasse I können sich über eine Verlängerung bis 2024 freuen, da die EU Kommission mit den notwendigen Regularien nicht auf der Zeitlinie liegt.
Darüber hinaus können alle Unternehmen, die die Re-Zertifizierung/ Zulassung nach den alten Regularien Ende 2019 erreicht haben noch bis spätestens 2024 aufatmen.
Danach sind die neuen Anforderungen aber strikt zu erreichen.
Hieraus ergeben sich für Unternehmen, speziell für kleinere und mittelständische Unternehmen vielzählige Herausforderungen, die einen hohen organisatorischen Aufwand bedeuten. Dennoch ist eine klare Planung der Maßnahmen, die ergriffen werden müssen und deren Umsetzung sehr dringlich.
Des Weiteren müssen nicht nur OEMs (Hersteller von Produkten), sondern auch Unternehmen die Produkte von einem OEM beziehen und dann unter eigener Marke im Markt verkaufen (PLM), nach der MDR schnell handeln.
Medical Device Regulation MDR und die Corona / COVID-19 Pandemie
erste positive Nachrichten aus der EU-Kommission:
MDR soll um ein Jahr verschoben werden
Die EU-Kommission hat empfohlen, die MDR um ein Jahr zu verschieben. Offizieller Anlass ist die Corona-Krise.
Dennoch kann man als Unternehmen nun die Zeit nutzen und einige Dinge auf Vordermann bringen.
- Wie wir schon mehrfach betont haben, sollte die technische Dokumentation ein wesentlicher Fokus bei der Zulassung nach der neuen MDR darstellen und dementsprechend kann man hier nun die gewonnene Zeit nutzen und diesen wichtigen Punkt in Angriff nehmen.
- Des Weiteren ist es gut, nun die Post Market Daten der laufenden Produkte zusammenzutragen, zu analysieren und damit die klinischen Bewertungen auf den neuesten Stand zu bringen.
- Und natürlich bietet sich die Gelegenheit, das angestaubte QM System zu modernisieren, auf den neuesten stand zu bringen, Lücken zu schließen und dessen Effizienz zu verbessern
Die Herausforderungen sind:
- Nicht mehr nur eine Dokumentation, sondern eine präzisere Dokumentation
- Keine unklaren, sondern klare Anforderungen der MDR an die:
- Technische Dokumentation
- Das Risikomanagement
- Die Zweckbestimmung und das
- Leistungsversprechen
- UDI (Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit)
- Post Market Clinical Follow Up (PMCF)
- Post Market Surveillance (PMS)
- Neueinteilung der Risikoklassen und spezielle Anforderungen bei
-
- Kosmetischen Implantaten
- Standalone Software (praktisch nur noch ab IIa aufwärts -> benannte Stelle)
- Produkte ohne ursprünglich medizinische Anwendung (MDR Annex XVI)
- Ausgewählte Wirbelsäulenprodukte
- Wiederverwendbare Produkte der Klasse 1
Risiko Benannte Stellen
Die europäischen Benannten Stellen für Medizinprodukte verlieren mit Geltungsbeginn von MDR und IVDR aufgrund der Änderung des Rechtsrahmens ihre Benennung und müssen deshalb unter der MDR neu benannt werden.
- Anforderungen an die benannten Stellen und die Frequenz der Überwachung erhöht sich deutlich
- Einige Benannte Stellen haben sich aus dem Markt zurückgezogen
- Termine werden schwierig zu erhalten sein und die Kosten für die Auditierungen werden steigen
Die derzeitigen benannten Stellen Europas sind unter der Nando Homepage veröffentlicht:
In Deutschland haben wir aktuell 11 benannte Stellen
Das Medical Device Regulation – MDR Projekt:
1. Projekt aufsetzen
- UDI-Team installieren
- Übergangsfristen für jedes Produkt bestimmen
- Entscheiden (vorläufig), welche Produkte weiter vermarktet werden
- Partner (Importeure, EU-Repräsentanten, Distributoren, OEM-/PLM) identifizieren und informieren
- Projektplan erstellen – no Brainer
2. Zweckbestimmung & Leistungsversprechen formulieren
- Zweckbestimmung und bestimmungsgemäßen Gebrauch präzisieren
- Leistungsversprechen quantitativ formulieren
- Alternativen recherchieren (alternative Verfahren, Technologien, Produkte)
- UDI-DI Daten erheben
- Ggf. Risikopolitik aktualisieren
3. Klasse und Verfahren zur Konformitätsbewertung festlegen
- Entscheiden (endgültig), welche Produkte weiter vermarktet werden
- Antrag (Audit, Zulassungen) bei benannter Stellen einreichen
- Notwendigkeit einer Expert Group klären
- Projektplan überarbeiten
4. Leistungsversprechen nachweisen, Technische Dokumentation aktualisieren
- Neue Anforderungen und Deltas recherchieren
- Fehlende Prüfungen (z.B. Usability , IT-Security) nachholen
- PMCF-Daten sammeln, klinische Bewertung aktualisieren, ggf. klinische Bewertung durchführen, PMS- und PMCF-Plan erstellen
- Labeling inkl. Gebrauchsanweisungen aktualisieren (auch UDI)
- RM-Akte überarbeiten
- „Akten“ zusammenstellen
5. QM-System inkl. PMS aktualisieren
- QM-System auf ISO 13485:2016- Konformität aktualisieren
- Probeaudit durchführen
6. UDI-System umsetzen
- Verfahrensanweisung „Produkt-Identifikation & Labeling“
- UDI-Checkliste
- Zulassungsverfahren
Damit Sie bei der MDR einen guten Überblick behalten, haben wir diesen Blog erstellt, der Sie in regelmäßigen Abständen über die aktuellen Entwicklungen auf dem laufenden halten soll.
Zudem möchten wir Sie darüber informieren, dass Sie ab jetzt die entsprechenden Seminare zur MDR buchen können. Ihre Weiterbildungsoptionen zur MDR haben wir im Folgenden aufgeführt.
Die MDR – Zulassungsprozesse für Medizinprodukte gestalten
Qualitätsmanagement für Hersteller von Medizinprodukten nach ISO 13485
Risikomanagement für Medizinprodukte nach DIN EN ISO 14971
Updates:
Hier finden Sie die neuesten Updates zum Thema MDR.
Update 3:
Medical Device Regulation MDR und die COVID-19 Pandemie
natürlich wirkt sich die Corona Pandemie direkt oder auch indirekt auf die Medizinprodukte Industrie aus. Die Umsetzung der MDR ist direkt davon betroffen und stellt die Hersteller vor zusätzliche Anforderungen.
- Zunächst einmal haben die benannten Stellen erhebliche Schwierigkeiten mit der Durchführung der Audits, so dass es zunehmend zu Absagen kommt und auch die Kommunikation mit den benannten Stellen schwierig ist. Diese scheinen auf so einen Fall nicht gut vorbereitet zu sein. Nur wenige sind in der Lage, Remote Audits anzubieten, welche darüber hinaus auch noch bei der Zertifizierstelle beantragt werden müssen.
- Die EU hat reagiert und legt den benannten Stellen und Mitgliedsstaaten Ausnahmeregelungen nahe. Hierzu wurde die Empfehlung 2020/403 veröffentlicht.
Hier gilt es sich einzulesen und die Möglichkeiten weitestgehend auszuschöpfen. Insbesondere, nachdem sich im Zuge der Verknappung von Medizinprodukten, nun neue Unternehmen für die Produktion dringend benötigter Materialien bereitmachen.
Update 2:
Die Wichtigkeit der Zweckbestimmung
Die neue MDR erfordert unter Anderem Nicht mehr Dokumentation sondern präzisere Dokumentation!
Keine unklaren, sondern klare Anforderungen der MDR an die:
- Technische Dokumentation
- Das Risikomanagement
- Die Zweckbestimmung
- Das Leistungsversprechen
- UDI (Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit)
- Post Market Clinical Follow Up (PMCF)
- Post Market Surveillance (PMS)
In diesem Rahmen nimmt die Zweckbestimmung eine besonders zentrale Position ein. Hier sind quantitative und nachweisbare Eigenschaften zu beschreiben.
Hierbei sind die Inhalte:
Zweckbestimmung
- Patientenzielgruppe
- Krankheitsbild
- Indikation und Kontraindikation
- Warnhinweise
- Anwender (Laien, Professionelle, Schulung)
- Nutzungsumfeld und regeln
Verwendung
- Wirkungsweise, physikalisches Prinzip
- Neuartige Funktionen
- Muss: Beschreibung und Referenz zu Vorgänger oder ähnlichen Produkten
- Varianten, Zubehör
- Alle Kombinationen mit anderen Produkten
Nutzen und Risiko
- Nachweisbarer Nutzen (ZDF -> klinische Bewertung wird zum Muss)
- Risiko und der Zusammenhang zwischen Maßnahme bis zur Verifizierung und Wirksamkeitsnachweis (Das gilt auch für Trainings)
Dabei werden auch wichtige Aspekte der Gebrauchstauglichkeit der Produkte ein Muss und diese sind ausnahmslos für alle Medizinprodukte nachzuweisen. Pflicht ist auch, die Gebrauchstauglichkeit der Produkte, auf Basis der Analyse von Post Market Daten zu bewerten und zu verbessern. Hierzu müssen Prozesse implementiert werden, die mit den notwendigen Werkzeugen ausgestattet sind, um diese Herausforderung systematisch lösen zu können.
Update 1:
Erste Auditerfahrung: – Die Kosten gehen durch die Decke
Umfänge von Zertifizierungsaudits nach der DIN EN 13485 legt das International Akkreditation Forum (IAF) für benannte Stellen fest. Der Umfang orientiert sich an der Anzahl der Mitarbeiter:
IAF Mandatory Document for the Application of ISO/IEC 17021 in Medical Device Quality Management Systems (ISO 13485)
Größe der Organisation (Anzahl Mitarbeiter) |
Auditdauer (in Summe für Stage 1 und 2) |
≤ 5 | 3 |
10 | 4 |
20 | 5 |
50 | 7 |
100 | 10 |
500 | 14 |
1000 | 16 |
Die für benannte Stellen gültige Norm ISO 17021 fordert mindestens 80 % dieser Zeit hat vor Ort beim Kunden stattzufinden.
Einige benannte Stellen interpretieren die Erfüllung der MDR Richtlinien in jedem Fall als Erstzertifizierung, da die Anforderungen ja neu sind und daher eine Erweiterung aufbauend auf der MDD nicht zulässig ist. Das bedeutet in der Endkonsequenz nach den Vorgaben des IAF, dass die Umfänge zu 100% zutreffen. Hier muss man die vorgegebene Dauer dann noch verdoppeln, da ein Stage 1 und ein Stage 2 Audit durchgeführt werden. Also bei <= 10 Personen 8 Tage Audit. Im Gegensatz zur Erstzertifizierung benötigt eine Rezertifizierung nur 66% des vorgegebenen Aufwandes.
Dazu muss man, wenn notwendig noch die Prüfung der technischen Dokumentation rechnen, die statt wie früher 1Tag heute je nach Komplexität und Risikoklasse des Produktes 1,5 bis 2 Tage dauert.
Ausschlaggebend ist auch der Scope des Audits. Wenn eine Firma ausschließlich als Distributor tätig ist, d.h. keine Entwicklung und keine Produktion stattfindet, darf die Dauer um 50 % reduziert werden.
Fazit:
Die Erfüllung der MDR bedeutet in jedem Fall einen erhöhten Mehraufwand – bedingt natürlich auch durch den Engpass an benannten Stellen.